Aktionäre russischer Unternehmen können sich über üppige Dividenden freuen. Die Moskauer Börse ist auf den höchsten Stand seit mehr als einem Jahr gestiegen. Kleinanleger haben sich vermehrt mit Wertpapieren eingedeckt, die nach der Invasion in der Ukraine ausverkauft worden waren, berichtete die Financial Times am Freitag. Der Leitindex der Moskauer Börse Moex lag am Freitag bei über 2620 Punkten und damit mehr als zehn Prozent über dem Niveau von April 2022 – wenige Wochen nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. Finanzmärkte nur noch für heimische Spieler Die Erholung des Marktes erfolgte trotz der Verhängung westlicher Sanktionen, die eigentlich das russische Finanzsystem lahmlegen sollten. Moskau reagierte auf die Maßnahmen, indem den meisten ausländischen Investoren der Verkauf ihrer Beteiligungen verwehrt wurde. Zudem wurden Gesetze erlassen, die die Kapitalflucht einhegen sollten, indem Rücklagen auf ausländischen Bankkonten begrenzt wurden. In Ermangelung von Investitionsmöglichkeiten im Ausland haben russische Anleger ihre Ersparnisse in Unternehmen wie Lukoil, Gazprom und Sberbank investiert, die zusammen etwa 40 Prozent des Gesamtwerts des Aktienmarktes ausmachen. Vasily Astrov, Ökonom und Russland-Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, sagte der Berliner Zeitung: „Die russischen Finanzmärkte werden jetzt natürlich in erster Linie von heimischen Spielern getrieben, weil der Anteil der ausländischen Investoren nur noch sehr gering ist. Deshalb spielen die einzelnen Transaktionen eine größere Rolle und schlagen sich dementsprechend stärker in der Dynamik der Preise nieder.“ Das Handelsvolumen ist nach dem Abzug ausländischen Kapitals 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 41 Prozent eingebrochen. Uniper und Fortum unter russischer KontrolleIm August 2022 hatte Präsident Waldimir Putin einen Erlass unterschrieben, wonach Unternehmen aus dem Ausland aus den zwei strategischen Wirtschaftssektoren Energie und Finanzen eine explizite Zustimmung des Präsidenten bedürfen. Diese Maßnahmen wurden im Laufe dieser Woche noch einmal verschärft. Die russische Regierung hatte am Dienstag die Kontrolle über die russischen Tochtergesellschaften der Energieunternehmen Fortum aus Finnland und Uniper aus Deutschland übernommen. Die Maßnahmen werden als Retourkutsche aus Russland gewertet. Denn im letzten Jahr hatten zahlreiche westliche Staaten russische Vermögenswerte beschlagnahmt, darunter befanden sich auch die Ableger Gazprom-Germania und Rosneft-Deutschland. Diese Regeln wurden nun noch einmal verschärft. Am Dienstagabend unterzeichnete Putin ein weiteres Dekret zum „Schutz des russischen Eigentums und der nationalen Interessen“. Hierdurch wird dem Staat erlaubt, eine „vorübergehende Kontrolle“ über das Vermögen von Unternehmen aus Ländern auszuüben, die von der Regierung als „unfreundliche Staaten“ eingestuft werden. Als Treuhänder soll übergangsweise die staatliche Agentur für Eigentumsverwaltung das ausländische Kapital verwalten. Die Uniper-Tochter Unipro und Fortum sind die einzigen Unternehmen die explizit in Dokumenten im Zusammenhang mit dem Präsidenten-Dekret genannt wurden. Präsidentensprecher Dmitri Peskow kündigte jedoch an, dass alle Unternehmen, die mit „unfreundlichen Staaten“ in Verbindung stehen, letztendlich auch betroffen sein könnten. Die staatliche Kontrolle sei für Unipro und Fortum veranlasst worden, weil diese für den russischen Energiesektor am wichtigsten seien. „Dadurch wird sichergestellt, dass die für die Wirtschaft wichtigen Unternehmen stabil laufen. Wir sichern nur unsere eigenen Risiken ab“, sagte Peskow. Verbündete in der EUBislang durften ausländische Unternehmen ihre Anteile noch zu strikten Bedingungen an den russischen Staat veräußern. Der Erlös darf dabei nur maximal die Hälfte des geschätzten Marktwerts betragen, zudem behält Russland zehn Prozent des Unternehmensgewinns ein. Durch diese Sonderabgaben finanzieren westliche Firmen indirekt den russischen Kriegsetat. Astrov hält das Einfrieren der westlichen Vermögenswerte für eine Vergeltungsmaßnahme. Moskau habe den Plan dafür schon lange in der Schublade gehabt. „Es hat mich gewundert, dass es so lange gedauert hat“, sagte Astrov im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Hinter der Entscheidung vermutet er politische Erwägungen, denn neben Uniper und Fortum ist auch der italienische Energieriese Enel in Russland engagiert. Der darf seine Geschäfte allerdings weiterbetreiben. Italien, Ungarn und Österreich sind die Länder in der EU, deren Unternehmen weiterhin auf dem russischen Markt vertreten sind. Auf dem russischen Finanzmarkt machen etwa die italienische Bank Unicredit und die österreichische Raiffeisenbank immer noch große Profite und sind dabei sowohl von russischen als auch von westlichen Sanktionen ausgenommen. Steigende Gehälter und VollbeschäftigungDen westlichen Sanktionen bescheinigt Astrov insgesamt keine große Durchschlagskraft. „Die russische Wirtschaft hält sich ziemlich gut. Russland war auf manche Sanktionen, insbesondere im Finanzsektor, ziemlich gut vorbereitet. Sie hatten gute makroökonomische Fundamente.“ Der Staatshaushalt konnte durch die Einnahmen gestützt werden, die durch den hohen Ölpreis begünstigt wurden. Der Zuwachs an Steuereinnahmen konnte für die Finanzierung der Rüstungsproduktion aufgewendet werden, aber auch für die Anhebung der Gehälter im öffentlichen Sektor. Dadurch konnte die heimische Nachfrage gestützt werden, hebt Astrov hervor. Der von der amerikanischen Ratingagentur veröffentlichte Standard & Poor’s Purchasing Manager Index (PMI) habe zuletzt eine deutliche Verbesserung des russischen Dienstleistungssektors gezeigt, so Astrov weiter. Mittlerweile beklagten sich viele russische Unternehmen darüber, dass bei der hohen Nachfrage Arbeitskräfte fehlten. „Das ist kein Zustand, der für eine Krise spricht“, sagt Astrov. Die Arbeitslosenquote lag im Februar bei 3,5 Prozent und damit herrschte nahezu Vollbeschäftigung. Die fehlende Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt hat aber auch handfeste Gründe. Denn viele Russen mussten zur Armee oder sind emigriert.
Quelle: Berliner-Zeitung
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