Die USA und die ihnen angeschlossenen Truppen verlassen Afghanistan, gleichzeitig erobern die islamistischen Taliban-Milizen Stück für Stück des ohnehin gebeutelten Landes. Mehrere andere Staaten engagieren sich bereits dort und wollen zukünftig auch mit den Taliban zusammenarbeiten. Welche geopolitischen Interessen gibt es für sie in Afghanistan, welche wirtschaftlichen? Quelle: Microsoft News / Auszug aus Artikel: Afghanistan : Dann eben mit den Islamisten Pakistan: 1. ideelle, finanzielle und logistische Unterstützung durch Pakistan 2. Rückzugsgebiet der Taliban nach Pakistan 3. Rückzugsgebiet der pakistanischen Armee nach Afghanistan im Kriegsfall mit Indien Heute setzt Pakistan darauf, dass die Taliban in Afghanistan an die Regierung zurückkehren. Und man hofft, dass sie dabei helfen, die pakistanischen Taliban im Zaum zu halten und den indischen Einfluss in Afghanistan einzudämmen. Autor: Hasnain Kazim Russland: 1. Präsenz in Zentralasien, in Tadschikistan und Kirgisien, zu stärken. Beide Länder liegen in unmittelbarer Nähe zu Afghanistan und gehören zu Russlands Militärallianz ODKB. 2. Russland unterstützt die Taliban und erhofft sich somit Schutz gegen andere Extremistengruppen. In Moskau herrscht die Auffassung, dass die Taliban, anders als etwa der Isis, nicht auf Expansion in andere Länder setzen. 3. Russland als Schutzmacht Die instabile Lage in Afghanistan wird Russland als Schutzmacht für die ehemaligen Sowjetrepubliken der Region wieder stärker ins Spiel bringen. Autor: Maxim Kireev China: 1. Taliban sollen vor Extremisten schützen Die Grenze zu China ist zwar gerade 76 Kilometer lang, ein schmaler Korridor im bergigen Distrikt Wakhan, der in die chinesische Region Xinjiang hineinführt. Extremisten der in China unterdrückten muslimischen Minderheit der Uiguren kämpfen auf afghanischer Seite zusammen mit Taliban-Milizionären. Geht es nach Pekings Willen, sollen die Taliban verhindern, dass uigurische Extremisten nach China gelangen oder in Afghanistan chinesische Ziele attackieren, China will Instabilität und grenzüberschreitenden Terror verhindern. 2018 noch wurden Afghanistans Regierung in Kabul Finanzmittel für die Kontrolle des Wakhan-Korridors bereitgestellt, jetzt spricht man deswegen mit den Taliban. 2. Wirtschaftsbereich Außerdem ist Afghanistan aus Sicht Pekings ein wichtiges Bindeglied zu den Staaten Zentralasiens und könnte Teil des chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors CPEC werden, einem Vorzeigeprojekt der Infrastrukturinitiative Belt-and-Road (BRI). Bereits heute sind die Chinesen größter Auslandsinvestor im Land, seit sie 2007 für 3,5 Milliarden US-Dollar den Betrieb einer großen Kupfermine im Osten Afghanistans übernommen haben. Sie investieren in Öl- und Gasförderung. Afghanistan ist reich an Bodenschätzen. Autor: Steffen Richter Indien: 1. Große Risiken, geringer Einfluss Mit dem Rückzug der westlichen Truppen aus Afghanistan geht für Indien eine Phase des hoffnungsvollen Engagements in diesem schwierigen regionalen Nachbarland zu Ende. Die Regierung in Neu-Delhi war nicht nur ein verlässlicher diplomatischer Verbündeter der Nato-gestützten Regierungen in Kabul, sie investierte auch in zahlreiche Entwicklungsprojekte. Eine Strategie, durch die man sich nicht zuletzt gegen den alten Feind und Rivalen Pakistan mit seiner notorischen Unterstützung für militante Gruppen abgrenzte: "Indien", erklärte der Sprecher des Außenministeriums in Neu-Delhi im Juni, "hat Afghanistan Staudämme, Elektrizität, Gemeinschaftsprojekte gebracht; die Welt weiß, was Pakistan Afghanistan gebracht hat." 2. Keine militärische Intervention trotz Anforderung aus Kabul 3. Schlechtes Verhältnis zu den Taliban Beträchtliche Sorgen gelten Kaschmir, der mehrheitlich muslimischen Unruheprovinz im Norden Indiens: Werden islamistische Kämpfer, wenn sie die bisherige Regierung in Kabul bezwungen haben, ihre Energien auf terroristische Vorstöße in Kaschmir richten? 3. Kann Pakistan ein von den Taliban beherrschtes Afghanistan zu seiner Einflusszone und zu einem Vehikel in der ewigen Auseinandersetzung mit Indien machen? Autor: Jan Roß Türkei:
1. Wächter des Kabuler Flughafens 2. Flüchtlinge Die Türken und Afghanen sind einander näher, als der Blick auf die Landkarte vermuten lässt. Denn in der Türkei leben mehrere Hunderttausend Afghanen, Schätzungen reichen von 300.000 bis zu 800.000 Menschen. 3. Änderung der Willkommenskultur Doch mit der Willkommenskultur in der Türkei ist es vorbei. Die schwere Wirtschaftskrise und die galoppierende Geldentwertung haben viele Türken überzeugt, dass sie nichts mehr zu verteilen haben. Vielen Flüchtlingen schlägt Ablehnung entgegen, auch deshalb drängt es entwurzelte Afghanen, weiter nach Europa zu ziehen. 4. Erdogans Druckmittel gegen Europa Afghanistan ist für Recep Tayyip Erdoğan gerade ein ganz wichtiges Thema. Der türkische Staatspräsident hat mit den Flüchtlingen ein neues Druckmittel gegenüber der EU, einerseits. Andererseits muss er dem Verdacht entgegentreten, er lade Afghanen für taktische Zwecke in die Türkei ein. Also warnt er vor weiteren Flüchtlingen und bietet türkische Hilfe in Afghanistan an. 5. Gewinnchancen und hohes Risiko Afghanistan ist für Erdoğan ein Einsatz mit hohen Gewinnchancen, aber auch hohem Risiko. Die in Afghanistan vorrückenden Taliban heulten nämlich sofort auf, als sich die Kunde von einem möglichen Bleiben der türkischen Truppen in Kabul verbreitete. Niemals würden sie "ausländische Besatzer" in Afghanistan dulden. Da half auch nicht, dass Erdoğan die Taliban durch die Erinnerung an die islamischen Gemeinsamkeiten zu beschwichtigen versuchte. Der türkische Präsident muss damit rechnen, dass – Islam hin oder her – auch die türkischen Truppen in Afghanistan von den Taliban angegriffen werden können. Ohne amerikanischen Schutz bliebe den Türken dann nur der blitzschnelle Abzug über die Startbahn des Flughafens Kabul. Autor: Michael Thumann
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Afghanistan - der endlose Konflikt Wer weiß eigentlich noch warum Afghanistan von der damaligen Sowjetunion im Jahr 1979 und später von den USA und ihren Verbündeten im Jahr 2001 besetzt wurde?? Terror-Bekämpfung, Rohstoffe, Änderung des Regierungs- und Gesellschaftsform, Besetzung um Einfluss in der ganzen Region zu gewinnen?? "Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt." - Regierungserklärung, Berlin, 11. März 2004, bmvg.de Da haben wir die Antwort. Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt. Das mag bedingt zutreffen, wenn man die Ereignisse am 11. September 2001 betrachtet. Führte aber gerade die Besetzung Afghanistans zu den Terroranschlägen?? Gehen wir in das Jahr 1993 zurück. Ich weilte gerade mit meinem kranken Sohn in einem Krankenhaus in Münster (Deutschland). Während unseres Krankenhausaufenthaltes wurde ein kleiner afghanischer Junge mit einem abgetrennten Fuß (über Ärzte ohne Grenzen) eingeliefert. Der Kleine Junge war meiner Schätzung keine 10 Jahre. Die Ärzte ohne Grenzen hatten ihn von seinen Eltern getrennt und im sicherlich gut gemeinten Übereifer in das Krankenhaus nach Deutschland überstellt. Der Kleine, wir nannten ihr "Sammy" war ein aufgeweckter Kerl. Er bekam ganz viele Geschenke von Besuchern, die er in einem großen Rucksack für seine Heimkehr sammelte. Verständigen konnte sich niemand mit "Sammy". Er hatte aber einen Dolmetscher. Dieser erzählte uns von einem Unfall bei dem Sammy seinen Fuß verlor. Dann erzählte uns der Dolmetscher, dass der damalige Afghanistan Konflikt ausschließlich um Handelsrouten und Ölpipelines durch das Land ging. Außerdem testete der Iran zu der Zeit Langstreckenraketen. Keiner wusste wann und wo diese nieder gingen. Am heutigen Tag las ich zufällig einen Artikel des Netzwerkes Friedensinitiative »Unsere« Interessen in Afghanistan. Nachstehend ein Auszug aus dem Artikel (Strategien und Öl und Taliban). Strategien Kein Land wird schließlich offiziell wegen seiner geostrategischen Bedeutung militärisch angegriffen. Hier müssen andere -ideologische, moralische oder politische -Begründungen für Interventionen herhalten. Bemerkenswert ist indessen, geostrategische und Ressourcen-Interessen zwar nie als Interventionsgrund im konkreten Fall genannt werden, daß aber beide Aspekte in den Sicherheitsstrategien der Großmächte eine Rolle spielen und dort auch ungeschminkt artikuliert werden. Dies ist der Fall in der Nationalen Sicherheitsstrategie des US-Präsidenten, in der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS) wie in den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung (VPR). Die dabei immer wieder auftauchenden Topoi sind der Schutz wirtschaftlich bedeutender Transportwege, der freie Zugang zu Ressourcen, die Aufrechterhaltung des freien Welthandels, die Herstellung politisch stabiler Verhältnisse im Umkreis der Europäischen Union, die Bekämpfung des internationalen Terrorismus in aller Welt sowie die Verhinderung der Proliferation von Massenvernichtungsmitteln. Regimewandel, Demokratieexport und die Ausbreitung von Freiheit und Menschenrechten sind weitere Ziele, die formuliert werden, in der US-Strategie unverhohlen als Aufgabe der Außen- und Militärpolitik, in der ESS und den VPR eher als abstrakt politischer Anspruch. Öl und Taliban Die Besetzung oder Kontrolle eines Landes wie Afghanistan, das immerhin fast doppelt so groß ist wie Deutschland, ansonsten aber nichts zu bieten hat, kostet also mehr, als es abwerfen könnte. Wirtschaftliche Interessen dürften also bei der Invasion der USA und der NATO im Oktober 2001 kaum eine Rolle gespielt haben. Mittelbar aber durchaus. Afghanistan ist für den NATO- und EU-Westen als mögliches Transitland von Interesse. Die im kaspischen Raum, nördlich von Afghanistan gelegenen Republiken Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan verfügen über gigantische Erdöl- und Erdgasvorräte. Die gegenwärtig geförderte Menge soll in den nächsten 13 Jahren verdoppelt werden. Stuart Eizenstat, Staatssekretär in der Clinton-Administration, wies schon vor zehn Jahren im US-Kongreß darauf hin, daß »das Kaspische Meer potentiell eine der wichtigsten neuen energieproduzierenden Regionen der Welt« sein würde. Und die Bemühungen US-amerikanischer Ölgesellschaften (z.B. UNOCAL), mit der afghanischen Regierung wegen einer Pipeline ins Geschäft zu kommen, die das bisherige Transportmonopol Rußlands brechen, d.h. nach Süden über Afghanistan und Pakistan an den Indischen Ozean führen sollte, gehen in die Zeit der Taliban-Herrschaft Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Verwirklichen ließ sie sich erst nach deren militärisch erzwungenem Sturz. 2002 wurde ein entsprechender Vertrag über den Bau der Afghanistan-Pipeline von den Staatschefs Turkmenistans, Afghanistans und Pakistans unterzeichnet. Wenn das Projekt bis heute noch nicht realisiert werden konnte, dann liegt das daran, daß die Pipelinetrasse Gebiete durchqueren soll, die immer noch bzw. wieder von den Taliban kontrolliert werden. Quelle: Netzwerk Friedensinitiatiive AUSGABE4 / 2008RUBRIKKrisen und Kriege AUTORIN Peter Strutynski Peter Strutynski, AG Friedensforschung, Kassel, ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag. Fazit: Der Afghanistan-Konflikt begann mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen im Jahr 1979 und endet voraussichtlich im Jahr 2021 mit dem Abzug der US-Truppen. Die Taliban erobern derzeit Provinz um Provinz im Sturm. In den nächsten Tagen und Wochen wird auch Kabul fallen. Fast 42 Jahre Krieg für ein paar geostrategischer Überlegungen. In das Macht Vakuum der abziehenden Truppen werden nun andere Player stoßen. Pakistan, Indien, China und die Türkei. Eines ist sicher. Afghanistan wird auch künftig nicht zur Ruhe kommen. Man könnte auch sagen: "Wer Wind säht, wird Sturm ernten". Autor: Blog Editor 1. Afghanistan – der ewige Alptraum: Die nächste Flüchtlingswelle rollt bereits
2. Mord an einer "Stimme der Wahrheit" 3. Flucht vor Taliban und Ungewissheit 4. Füllt China das Machtvakuum in Afghanistan nach dem amerikanischen Truppenabzug? 5. Wer nun in Afghanistan aktiv wird 6. Furcht vor Machtvakuum in Afghanistan 7. Die Türkei kann nicht der Flüchtlings-Gatekeeper der EU sein 8. Afghanistan : Dann eben mit den Islamisten 9. Afghanistan: Der Preis des überstürzten Abzugs |
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