Heutige Strömungen der Schia
Überblick und Verbreitungsgebiet
Zwölferschiiten
Der größten schiitischen Strömung gehören die Zwölferschiiten an, die einer Reihe von zwölf Imamen folgen. Sie leben hauptsächlich im Iran, Aserbaidschan, Irak, Bahrain, Libanon, Kuwait, Pakistan, Afghanistan, Syrien, Indien sowie in der östlichen Provinz Saudi-Arabiens. Wenn man die absolute Zahl betrachtet, leben im Iran und im Irak die meisten Zwölferschiiten. Dort stellen sie auch einen Großteil der politischen Führungsschicht. In den anderen großen Ländern spielen Schiiten eine eher untergeordnete Rolle im politischen Leben, da sie in der Minderheit sind (so in Pakistan, Indien, Saudi-Arabien, Afghanistan). In Saudi-Arabien ist die Religionsausübung der Zwölferschiiten teilweise eingeschränkt, doch besteht seit 1993 ein Abkommen zwischen der saudischen Führung und der schiitischen Gemeinschaft, und Schiiten sind auch im Konsultativrat vertreten.[1] Im Libanon stellen die Zwölferschiiten etwa 30 % der Bevölkerung. Die Zwölferschiiten werden auch als Imamiten bezeichnet, allerdings ist dieser Begriff unpräzise, weil er nach der klassischen islamischen Doxographie noch andere historische schiitische Gruppierungen umfasst.
Ismailiten
Die zweite Gruppe sind die Ismailiten, die einer anderen Imamreihe folgen, die über Ismāʿīl ibn Dschaʿfar führt. Sie leben heute vor allem in Pakistan, Indien, Syrien, Afghanistan und im Pamir-Hochland in Tadschikistan. Die heutigen Ismailiten sind heute in mehrere Gruppen aufgespalten, von denen die Nizariten und die Mustaʿlī-Taiyibiten die wichtigsten sind. Während die meisten Nizariten den Agha Chan als ihren Imam betrachten, werden die Mustaʿlī-Taiyibiten von einem Ober-Dāʿī angeführt. Die ismailitische Lehre ist sehr stark vom gnostischen und neuplatonischen Denken beeinflusst. In der Vergangenheit sind mehrere revolutionär-ismailitische Gruppen aufgetreten, wie zum Beispiel die Assassinen in der Levante oder die Fatimiden, wobei Letztere mehr als 200 Jahre in Ägypten herrschten. Die Drusen, deren Hauptsiedlungsgebiete in Syrien, Libanon und Israel liegen, gingen aus der ismailitischen Schia hervor.
Zaiditen
Die dritte (und kleinste) schiitische Gruppe sind die Zaiditen, bei denen die Anzahl der Imame nicht begrenzt ist. Sie leben heute überwiegend im nördlichen Jemen. Die Zaiditen sind aufgrund ihrer religiös-politischen Ausrichtung auf ʿAlī ibn Abī Tālib der Schia zuzuordnen, unterscheiden sich jedoch in ihrer Imamatslehre von den Zwölferschiiten und haben eine eigene Rechtsschule. Da sie das Kalifat der ersten drei Kalifen Abū Bakr, ʿUmar ibn al-Chattāb und ʿUthmān ibn ʿAffān anerkennen, stehen sie den Sunniten näher als die anderen Schiiten.
Aleviten
Aleviten werden ihrem Ursprung nach den Schiiten zugeordnet, da auch bei ihnen die Verehrung der 12 Imame und insbesondere von ʿAlī (Aleviten < arab. ʿalawī) im religiösen Leben bekannt ist. Die Kerngebiete der Aleviten liegen in der Türkei und in den ehemals osmanisch beherrschten Balkangebieten. Der Anteil der Aleviten unter den Muslimen in der Türkei beträgt etwa 15 bis 20 Prozent. Da dort bei Volkszählungen innerhalb der Religionszugehörigkeit „Islam“ jedoch keine konfessionelle Differenzierung stattfindet, handelt es sich dabei lediglich um unsichere Schätzungen.[2] Heute sind Aleviten durch Emigration von Türken auch in Europa und Nordamerika verbreitet. In Deutschland liegt ihr Anteil unter den türkischstämmigen Muslimen bei rund 17 %.[3] Gemessen an der Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Muslime sind dies etwa 13 %.[3]
Aleviten verehren den islamischen Heiligen Hadschi Bektasch Wali, von dem eine Anthologie und zahlreiche Anekdoten überliefert sind. Um ihn herum gründete sich der Derwisch-Orden der Bektaschi-Tariqa.
Alawiten oder Nusairier
Die Alawiten, die auch Nusairier genannt werden, sind nicht zu verwechseln mit der größeren Gruppe der Aleviten. Die Alawiten leben vor allem in Syrien, daneben auch im Libanon, in Jordanien, in Israel sowie in Adana, Mersin, Tarsus und der Provinz Hatay in der Türkei. Diese bilden in Syrien die politische und militärische Elite. Sie gehen auf Ibn Nusair zurück und entstammen einem Umfeld gnostischer Gruppierungen, dem auch die Ismailia entsprungen ist. Von zwölferschiitischer Seite werden sie als Übertreiber betrachtet.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schia
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Unterscheidungsmerkmale der drei bzw. vier Gruppen sind in erster Linie die Anzahl der „anerkannten“ Imame und die Position, die diese im Heilsdenken einnehmen. So gibt es unter manchen Strömungen (Aleviten, Ismailiten) die Tendenz zur Vergöttlichung der Imame und teilweise zu einer Reinkarnationslehre (Drusen). Jedoch gibt es auch hier wieder regionale Unterschiede, die die Glaubensrealität kennzeichnen, und längst nicht alle Aleviten oder Ismailiten vergöttlichen die Imame. Die innermuslimische und -schiitische Diskussion wird über solche Fragen noch häufig polemisch ausgetragen. So werden die Aleviten von sunnitischen Gelehrten in der Regel nicht als Muslime anerkannt, weil ihnen kollektiv Vergöttlichung unterstellt wird.
Die Unterschiede zwischen den Gruppen sind übrigens nicht trennscharf, da sie von vielen regionalen Faktoren (Folklore, Grad der Urbanisierung usw.) abhängen. Zum Beispiel lassen sich die Aleviten auch als „türkische Zwölferschiiten“ beschreiben, die allerdings stark von ihren historischen Erfahrungen als konfessionelle Minderheit geprägt sind. Im Gegenzug sind die iranischen Zwölferschiiten von ihrer Mehrheitsposition geprägt, die seit der Safawiden-Periode (ab 1501) zu einem kontinuierlichen Zuwachs an politischem Einfluss geführt hat (vgl. auch Kadscharen-Periode), der schließlich zur (revolutionären) Übernahme der politischen Herrschaft durch eine Gruppe iranischer Kleriker führte (Islamische Revolution im Iran 1979).
Eine allen Schiiten gemeinsame Besonderheit ist der Zusatz zum Gebetsruf: „Auf zum besten Tun!“ (ḥaiya ʿalā ḫair al-ʿamal). Die Schiiten werfen dem zweiten Kalifen Umar ibn al-Chattab vor, diese ursprüngliche Formel willkürlich abgeschafft zu haben.[
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schia
Unterscheidungsmerkmale der drei bzw. vier Gruppen sind in erster Linie die Anzahl der „anerkannten“ Imame und die Position, die diese im Heilsdenken einnehmen. So gibt es unter manchen Strömungen (Aleviten, Ismailiten) die Tendenz zur Vergöttlichung der Imame und teilweise zu einer Reinkarnationslehre (Drusen). Jedoch gibt es auch hier wieder regionale Unterschiede, die die Glaubensrealität kennzeichnen, und längst nicht alle Aleviten oder Ismailiten vergöttlichen die Imame. Die innermuslimische und -schiitische Diskussion wird über solche Fragen noch häufig polemisch ausgetragen. So werden die Aleviten von sunnitischen Gelehrten in der Regel nicht als Muslime anerkannt, weil ihnen kollektiv Vergöttlichung unterstellt wird.
Die Unterschiede zwischen den Gruppen sind übrigens nicht trennscharf, da sie von vielen regionalen Faktoren (Folklore, Grad der Urbanisierung usw.) abhängen. Zum Beispiel lassen sich die Aleviten auch als „türkische Zwölferschiiten“ beschreiben, die allerdings stark von ihren historischen Erfahrungen als konfessionelle Minderheit geprägt sind. Im Gegenzug sind die iranischen Zwölferschiiten von ihrer Mehrheitsposition geprägt, die seit der Safawiden-Periode (ab 1501) zu einem kontinuierlichen Zuwachs an politischem Einfluss geführt hat (vgl. auch Kadscharen-Periode), der schließlich zur (revolutionären) Übernahme der politischen Herrschaft durch eine Gruppe iranischer Kleriker führte (Islamische Revolution im Iran 1979).
Eine allen Schiiten gemeinsame Besonderheit ist der Zusatz zum Gebetsruf: „Auf zum besten Tun!“ (ḥaiya ʿalā ḫair al-ʿamal). Die Schiiten werfen dem zweiten Kalifen Umar ibn al-Chattab vor, diese ursprüngliche Formel willkürlich abgeschafft zu haben.[
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schia