6. Tag (25.02./Sonntag)
Hama – Aleppo - Al Qamishli
Hama – Aleppo - Al Qamishli
Der Tag fängt früh an, wir haben eine lange Strecke zu fahren, also sitzen wir um 7 h, nach Frühstück, im Auto. Zunächst zurück nach Norden, um Aleppo herum, dann nach Osten, immer der türk. Grenze entlang, auf Str. Nr. 6. Am Euphrat, Anfang des Assad-Stausees, machen wir Halt bei Qal`aat Najm und bekommen, da es noch sehr früh ist, eine Privatführung durch die mächtige Zitadelle. An diesem schönen Platz, mit Blick auf den Anfang des Stausees, machen wir unser „Picknick“, wie eigentlich jeden Tag: Wir haben Brot, Olivenöl, Oliven, Yoghurt/Labane, Sata (Kräuter-Gewürz-Mischung), Tomaten und Obst dabei, sowie heisses Wasser für Kaffee und Tee. Auf die Art kommen wir gut über den Tag, uns reicht eine volle Mahlzeit im Restaurant, meistens abends. Die Fahrt zieht sich hin, ist „stinklangweilig“, durch eine baumlose, trostlose Einöde. Hin und wieder, weit verstreut, kleine Ansammlungen von Lehmhäusern. Erst gegen Abend erreichen wir unser Ziel Al Qamishli ganz im Osten, Grenzstadt zur Türkei, noch ca. 70 km bis in den Irak. Wegen der Nähe zur Türkei gibt es mehr Schilder (Geschäfte etc.) mit lateinischen Buchstaben zusätzlich zur arabischen Schrift. Wir finden ein einfaches Innenstadthotel, laut. Ein Wort zum Preisniveau in Syrien: Über die (für uns, in EURO) günstigen Restaurantpreise (bei guter Qualität und reichlichen Portionen!) hatte ich schon kurz berichtet. Heute Morgen war ein Reifenwechsel notwendig. Ein kleiner Shop an der Strasse, der Mann (mit seinem jungen Gehilfen) fühlte sich wohl gestört, gab sich nicht sehr freundlich. Aber der Reifenwechsel mit Reparatur und Auswuchten erfolgt sofort, dauert keine 15 Min. - SL 50 (€ 0,85) !! 1 l Diesel kostet an der Tankstelle SL 7 - € 0,11. Da ist es klar, warum „alle“ Autos im Stand den Motor weiter laufen lassen. (Erleben wir auch in der Altstadt von Damascus, selbst im überdachten Souk, wo die Luft „zum Schneiden“ schlecht ist.) Umweltschutz gibt es nicht! An den Tankstellen (z.B.) ist „überall“ Öl und Sprit auf dem/im Boden, wenn man sich die Rückseite ansieht, wo z.B. die Toilette ist, kann man als Europäer „verzweifeln“. Zurück nach Qamishli. Cornelia wollte dahin, um die Familie ihres Arabisch-Lehrers zu besuchen. Vom Hotel aus rufen wir dort an, um uns anzumelden, einen Termin zu vereinbaren. Kurz danach meldet sich der syr. Geheimdienst bei Mamdoh, was wir denn von denen wollten – wir sind im Kurdengebiet. Nach interner Diskussion, wobei Mamdoh kein Risiko für sich (und uns sowieso nicht) sieht, findet der Besuch statt. (Lt. Mamdoh sind viele Geheimdienstler aus dem Libanon zurück gekommen, die wollen sich nun beschäftigen. Er sieht das ganz „locker“. Aber an den nächsten Tagen tauchen immer wieder Leute vom Geheimdienst unterwegs auf. In jedem Hotel werden als erstes die Pässe „eingezogen“, die wissen also immer ganz genau, wo wir gerade sind.) Wir treffen die Eltern und drei Brüder mit Familie kommen dazu. „Typisch“ arabisch, ich werde an Marokko erinnert: Sitzkissen an den Wänden, Männlein und Weiblein getrennt, Tischdecke zum Essen mitten rein auf den Boden – natürlich werden wir bewirtet. Die Kommunikation ist etwas schwierig, aber Mamdoh dolmetscht. Mit Kindern, die stolz auf ihr gelerntes engl. sind, klappt es immer. Gruppenfotos werden gemacht, die ich schon kurz später in meiner mailbox vorfinde. Zurück im Hotel, nach 22 h, sitzt eine Horde junger Männer im Hotelflur und diskutiert lautstark, praktisch vor meiner Tür.
Fahrt von Qamishli in den Süden, diesmal parallel zur irak. Grenze. Die Stadt Al Hasakeh hat auf dem „unvermeidlichen“ Kreisverkehr am Ortseingang mal kein Assad-Standbild, sondern ein Monument mit dem stilisierten arabischen Schriftzug für den Namen der Stadt. Die arabische Schrift bietet sich für „kalligraphische“ Lösungen geradezu an – auch wenn sie 20 m hoch sind. Mitten im „no-where-land“ halten wir am Tell Brak, einem Ausgrabungshügel – wie so viele auf einer endlosen Ebene – wo der Mann von Agatha Christie gegraben hat: 3. Jahrtausend b.C., angegraben, nichts aufgestellt, viele Scherben liegen einfach so herum ... Jemand vom Geheimdienst will unsere Pässe sehen ...Wir verlassen die Landschaft AlJazirah (die Insel), unser Ziel ist Deir-ez-Zor am Euphrat, Hotel Al Saeed. Der allgegenwärtige Geruch von Mottenkugeln (in jedem Abfluss) erinnert mich an Indien. Etwa 8000 b.C. entstand hier aus Hieroglyphen das phöniz. Alphabet, das erste überhaupt. Wann, wie haben sich die Schriftzeichen in Indien und China entwickelt, die eine durchgehende eigene Geschichte über Jahrtausende haben? Wir gehen ins Museum und schauen uns das Armenier-Denkmal an – eine Kirche mit „Mahnmal“-Ausstellung: Der Völkermord der Türken an den Armeniern wird dokumentiert. Die Ähnlichkeit der Bilder mit den Nazi-Gräueln an den Juden, Konzentrations- und Todeslager, macht uns betroffen. Abendessen im Restaurant direkt am Fluss, die „berühmte“ franz. Hängebrücke im Blick. Gemischte Vorspeisen + 1 kg Fisch (eingelegter Wels, gebraten) + ½ kg Lammfleisch + Wasser, Kaffee etc. – für 4 Personen – keine € 20 – es ist nicht zu fassen!Gespräch mit Mamdoh: Sozialistisch ist, dass es kostenlose Krankenversorgung für Syrer gibt, sowie eine kleine Grundrente vom Staat. Syrien ist eine junge Nation mit einer der höchsten Bevölkerungswachstumsraten, weltweit. Das Durchschnittseinkommen beträgt etwa US$ 100 im Monat, z.B. für Lehrer, die in der Mitte der sozialen Hierarchie stehen. (Mamdoh war lange Lehrer in Saudi Arabien.) Bei SL 8800 Monatseinkommen sind SL 1300 für ein Abendessen (für 4 Pers.) viel Geld! Der Geheimdienst tel. uns ins Hotel hinterher ...
8. Tag (27.02./Dienstag)
Hama - Deir-ez-Zor - Doura Europos - Mari
Hama - Deir-ez-Zor - Doura Europos - Mari
Wir fahren den Euphrat entlang nach Süden, ein fruchtbares Flusstal. Sobald der Strassenverlauf etwas vom Fluss weg auf die höher gelegene Ebene führt, ist man in der Wüste. Frühstücks-Picknick (wir frühstücken hier nicht im Hotel) an einer alten Burg, Qal`aat arRahbeh, sehr eindrucksvoll auf einem Hügel, rundherum von einer „Schlucht“ gesichert. - Es geht zunächst ganz „runter“, fast an die irak. Grenze, nach Mali, ein 4½tausend Jahre alter (Ausgrabungs)Ort. Viel Lehmziegel, teilweise überdacht, vieles nur angegraben. Zurück nach Doura Europos, eine ganze Stadt auf einem Hügel am Euphrat. Riesige Stadtmauer, innen Häuser, Tempel, Palast – das meiste nur angegraben. „Überall“ liegen Tonscherben auf dem Weg herum ...
9. Tag (28.02./Mittwoch)
Deir-ez-Zor – ArRaqqa - Qal`aat Ja`Abar – ArRasafeh – Palmyra - Tadmor
Deir-ez-Zor – ArRaqqa - Qal`aat Ja`Abar – ArRasafeh – Palmyra - Tadmor
Von Deir-ez-Zor fahren wir den Euphrat entlang „rauf“. Frühstücks-Picknick direkt am Fluss bei der alten Burg Halabiyeh, die einst zusammen mit ihrem Gegenüber Zalabiyeh den Fluss kontrollierte. Zum Gaudi fahren wir über eine wackelige Pontonbrücke, bewacht von jungen Männern – ohne Uniform – mit umgehängter MP. (Dieses „Bild“ sehen wir häufiger, an markanten Strassenecken, an Parteigebäuden, in Grenznähe.) Weiter nach ArRaqqa, eine schmutzige moderne Stadt, die, ausser einem Palast (den wir nur von aussen sehen), die alte gewaltige Stadtmauer zu grossen Teilen wieder auf-/nachgebaut hat, das schöne Damaskustor wurde komplett restauriert. Kurz vor dem Staudamm des Assad-Sees bei Qal`aat Ja`Abar wenden wir uns vom Fluss ab nach Süden, in die Wüstensteppe bzw. Lehmwüste. ArRasafeh, eine ganze antike Stadt, mit Stadtmauer (teilweise rekonstruiert), markante Gebäude ausgegraben und aufgestellt (wie eine Säulenbasilika und die riesigen unterirdischen Zisternen für 160.000 m³ Wasser, wenn ich mich richtig erinnere, um 6000 Menschen über einen trockenen Sommer zu bringen), vieles nur angegraben – es ist eine Trichterlandschaft entstanden, aus der überall Reste von Gebäuden, Säulenfragmente, Steine ... herausschauen – in der ich mich „verliere“. Wir fahren tiefer in die Wüste, eine sehr interessante Landschaft mit Weite und Bergen, keine Sandwüste! - zum Wüstenschloss Qasrl Hirl Sharqi. Bei einbrechender Dunkelheit erreichen wir Palmyra – erster Eindruck (Rundfahrt) der Ruinen im Abendlicht – ein Panorama wie im Traum, das Paradies für einen „Säulenfreak“ wie mich. Wir sind in einem schönen Stadthotel Sands angemeldet (in der modernen Stadt Tadmor), von wo wir alles zu Fuss erreichen können. An diesem Abend schreibe ich folgendes in mein Reisetagebuch, es spricht mir aus der Seele: „Hier, sagte ich zu mir selbst, hier blühte ehemals eine begüterte Stadt; hier war der Sitz eines mächtigen Reiches. (...) Und was bleibt jetzt von dieser mächtigen Stadt? – ein trauriges Skelett! Was bleibt von einem grossen Gebiet? - ein dunkles leeres Andenken! Auf das lärmende Gewühl, das sich in diesen Hallen drängte, ist Todesstille gefolgt. Schweigen des Grabes ist an die Stelle des Gemurmels auf den öffentlichen Plätzen getreten. Der blühende Wohlstand einer Handelsstadt hat sich in schreckliche Armut verwandelt. Die Paläste der Könige sind der Wohnplatz wilder Tiere geworden; Herden weiden auf der Schwelle des Tempels, und unreine Tiere bewohnen das Heiligtum der Götter. Ach, welcher Glanz ist verdunkelt! - welche Arbeiten sind vernichtet! - Gehen so die Werke der Menschen zugrunde? Verschwinden so Reiche und Nationen?“ Constantin DFrancois de Volney, 1791 in Palmyra, zitiert in Dumont Kunst-Reiseführer SYRIEN, 2. Aufl. 2001.